DIALOGE ZUR KUNST (2010)
DIALOGE ZUR KUNST
Platon. Kleist. Kraznahorkai.
Im Sommer und Herbst 2010 erforschte das Ensemble von Graphit Theatertechniken anhand verschiedener Texte. Die Ergebnisse dieser Recherche wurde vom 11.-18. Dezember 2010 in fünf öffentliche Proben in den Uferstudios in Berlin-Wedding gezeigt.
Dokumentationen zu „DIALOGE ZUR KUNST„:
FOTOS VIDEO KRITIK #1 KRITIK #2
Inhalt
Alle Dialoge verbindet die Frage: Auf welcher Ebene erzielt das Theater seine Wirkung?
Ist das Theater in der Krise? Kann es kein kollektives Empfinden mehr hervorrufen? Kann das Theater kein Ort der Erkenntnis mehr sein? Was ist Kunst überhaupt und was kann sie?
Graphit öffnete seine Tür und zeigte die Ergebnisse der Recherche der letzten drei Monate an einem Abend auf der Grenze von Improvisation, freier Komposition und fest vorgegebener Struktur. Anhand von Dialogen zur Kunst von Kraznahorkai, Platon und Kleist geht das Ensemble zusammen mit dem Musiker Kamil Tchalaev der in den Dialogen provokativ gestellten Frage nach: Ist es überhaupt möglich, ein Künstler zu sein?
In dem die Schauspieler diese Frage auf der Bühne zu ihrer eigenen machten, denn sie betrifft sie ja, gewannen die Dialoge an Kraft, Aktualität und Brisanz.
Der Festivalpreis 2012 geht an
ION
von Platon (Dialog aus dem Jahre 399 v.Ch.)
Jedes Theaterfestival will den Besten, den Originellsten, den neuen Star auffinden. Sokrates begegnet dem großen Ion aus Ephesus, einem renommierten Schauspieler, berühmt weit über die griechischen Landesgrenzen hinaus. Gerade wurde Ion bei einem der zahlreichen Theaterwettkämpfe, an dem er zum wiederholten Male aktiv teilgenommen hat, der Preis ‚Bester Darsteller des Jahres’ zuerkannt. Er kann das Publikum faszinieren, wenn er Homer spielt, über Stunden, in immer verschiedenen Rollen, Langeweile kommt bei ihm nicht auf.
Und da, in diesem Moment des Siegestaumels, hinter den Kulissen, taucht Sokrates auf, der sich für die Schauspielkunst begeistert- und hat noch diese und jene kleine Frage.
Was ist wohl Ions Geheimnis, woher der große Erfolg, was ist das für eine Kunst, die er beherrscht? Ja, ist es überhaupt eine Kunst, existiert eine Kunst des Schauspielens?
Die Untersuchung geht überraschend in eine Richtung, die Ion ganz und gar nicht behagt…
Über das Marionettentheater – Heinrich von Kleist
Ein Tänzer, größter Star der Ballettszene und hochgelobt, sucht etwas wahrhaft Menschliches bei den Marionetten und ihrem Tanz, als Zuschauer sieht man ihn immer wieder auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt, wo die kleine Bühne aufgeschlagen ist. Ein anderer, Kenner und Freund des Balletts, beobachtet ihn dabei. Er will ihm zur Rede stellen, ihm seine Motive entlocken, er kann nicht verstehen, was ein solcher meister hier zu suchen hat. So erfährt er, dass jener Meister die tanzende Kunst an ihrem Ende angelangt sieht, für ihn existiert sie nicht mehr- im Gegensatz zur Kunst des Marionettenspiels. Der Meister führt ihn in ein Labyrinth phantastischer Experimente, denen sich der Freund des Balletts schließlich mit keinem Argument, mit keiner bisherigen Erkenntnis, mit keinem noch so ausgeklügelten Gedanken, mehr entziehen kann… Für den Meistertänzer hat ein mechanisches Gebilde mehr Grazie als ein Mensch es je erlangen kann.
Ein tiefsinnig-ironisches Plädoyer für den Künstler als ein utopisches Genie, für einen „vollkommenen“ Spieler oder Tänzer, der sein geweitetes Bewusstsein gepaart mit Können dem Publikum zur Verfügung stellt.
Kraznahorkai – Ein Mörder ist geboren (Novelle)
Eine Mann, arbeitslos, hoffnungslos und in der Fremde, gerät, ohne es zu wollen, in Barcelona in eine Ausstellung von alten Ikonen hinein. Die Wirkung dieser Ikonen auf ihn ist so stark, das er flieht und rennend das Gebäude verlässt.
Was hat ihn so erschüttert?
Kraznahorkai konstruiert in dieser Novelle die Begegnung eines modernen Arbeitssklaven mit der religiösen Welt der Ikonen, ihrer Naivität, ihrer Schönheit, ihrer Verheißung, ihrem Gold, das für Reinheit steht. Der Arbeitssklave wird ein Messer kaufen…
Regie Judith von Radetzky
Musik Kamil Tchalaev
Es spielen
Mathias Hörnke und Lars Jokubeit (Platon)
André Scioblowski (Krasznahorkai)
Stephan Maria Fischer und Anja Marlene Korpiun (Kleist)